Nizza – zwei Monate danach…

Es ist Anfang September, als ich meine lange geplante Recherchereise nach Nizza antrete. Mein letzter Besuch der Stadt an der französischen Riviera liegt schon mehr als 10 Jahre zurück.

Auf den ersten Blick ist alles wie immer: Die Sonne strahlt vom azurblauen Himmel. Die Menschen flanieren über die sieben Kilometer lange Strandpromenade, entspannen in den zahlreichen Beachclubs oder zelebrieren das „savoir vivre“ bei einem Glas Pastis oder Rosé in einem Straßencafé.

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Doch der Schein trügt. Alles ist anders. Denn vor knapp zwei Monaten – am Nationalfeiertag des 14. Juli – verübte der als Gewalttäter bekannte, tunesische Islamist Mohamed Lahouaiej-Bouhlel hier einen Terroranschlag mit einem LKW und überfuhr auf der Promenade des Anglais 85 Menschen – Männer, Frauen, Kinder, Einheimische und Touristen – und verletzte 434 zum Teil schwer.

Die Stadt ist bis ins Mark erschüttert. Immer noch – auch wenn die Menschen versuchen, ihre Normalität Stück für Stück zurückzugewinnen. Das Trauma steckt tief und ist allgegenwärtig.

„Die Menschen haben Angst und sind verunsichert“ – so lautet der Satz, den ich am häufigsten höre, wenn ich mit Einwohnern der Stadt über die Folgen des Verbrechens spreche.

„Viele bleiben jetzt abends lieber zuhause“ erklärt mir Fabienne, die in einem Restaurant an der Uferpromenade arbeitet. „Und die Zahl der Touristen ist dramatisch zurückgegangen. Es ist schlimm“.

„Ich wohne direkt an der Promenade des Anglais“ berichtet Teresa, die aus Malaga stammt und in einem Souvernirgeschäft am Blumenmarkt in Nizzas Altstadt arbeitet. „Ich habe die Schreie der Verletzten gehört und alles gesehen. Die Toten. Das viele Blut“. Ihre Stimme wird brüchig, ihre Augen füllen sich mit Tränen. Meine auch. „Ich weiß, dass es irgendwie weitergehen muss, aber im Moment ist das zu hart. Sobald die Saison in ein paar Wochen vorbei ist, werde ich nach Malaga zurückkehren. Ich brauche Abstand.“

Am nächsten Tag besuche ich die mit Kerzen, Blumen und Plüschtieren geschmückte Gedenkstätte auf der Promenade, in der Nähe des berühmten Hotels Negresco.

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Eine ältere Dame bringt Blumen, stellt umgefallene Kerzen wieder auf und bringt einen in Schieflage geratenen Plüschhund in eine aufrechte Position.

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In diesem Moment wird der Wahnsinn dieses Anschlages absolut real. Ich fühle abwechselnd Trauer, Wut, Schmerz und Zorn. Ich sehe die Gesichter der 85 Opfer vor mir – für die „Le Parisien“ eine Gedenkseite eingerichtet hat – die auf dem Asphalt zermalmt wurden. Von einem Täter, der das Verbrechen mit seinen Komplizen seelenruhig und unbehelligt über Monate vorbereiten konnte.

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Doch es sind keine Opfer eines „unvermeidlichen Schicksals“ – sondern die vorhersehbaren „Kollateralschäden“ einer unkontrollierten muslimischen Massenmigration und jahrzehntelanger, systematischer Appeasement-Politik, mit der Frankreichs Politiker den politischen Islam hofiert und tatenlos die Bildung von mindestens 100 Stadtvierteln geduldet haben, „wo das ganze soziale Leben, illegale und legale Gewerbe, sportliches und kulturelles Leben unter ethnisch-religiös abgeschotteten Bedingungen stattfindet und wo die Salafisten das Gesetz der Republik durch die Scharia ersetzt haben.

„Diese französischen Molenbeeks sind Territorien, wo die Sitten muslimisch sind, wo die Landschaft des Handels muslimisch ist, wo die Kleidung muslimisch ist, wo der gesellschaftliche Umgang (Frauen weder in den Cafés noch in den Straßen) muslimisch ist.“

In einem solchen gesellschaftlichen Klima und Umfeld – wo der Staat also kapituliert hat und nicht mehr willens oder in der Lage ist, sein Gewaltmonopol durchzusetzen – wo sich die Ablehnung bis zum Hass auf das laizistische System u.a. darin äußert, dass jeder dritte junge Muslim zu den Ultra-Radikalen gezählt werden muss, ist ein Aufruf des IS, „die Feinde Allahs mit dem Auto zu überfahren“ wohl nur das Zünglein an der Waage.

Nachdenklich sitze ich am Abend auf einer Bank an der Promenade du Paillon und schaue kleinen Kindern zu, die unbeschwert und vor Freude quietschend zwischen den Wasserfontänen spielen.

Die verstehen (noch) nicht, dass der Frieden um sie herum in Gefahr ist – dass der Staat ihre Sicherheit nicht mehr gewähren kann bzw. will, dass ihre Zukunft auf dem Spiel steht. Ich schon und es bereitet mir große Sorge.

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Die Militär-Patrouillen überall in der Stadt vermitteln auch kein echtes Gefühl von Sicherheit – im Gegenteil: Ihre Präsenz erinnert mich immer wieder an die latente Bedrohung – auch über die Grenzen Frankreichs hinaus, bis vor die eigene Haustür.

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Fazit

Diese Reise war für mich eine emotionale Achterbahnfahrt, doch hat sie einmal mehr meinen Blick, die Sinne und den Verstand geschärft, jene Zeichen zu erkennen, die den gesellschaftlichen und politischen Boden für Verbrechen wie das in Nizza bereiten – und klar auf der Seite der Kritiker und Mahner dieser verhängnisvollen Entwicklung zu stehen. Denn eins steht fest: Ich bin nicht bereit, mich an den hausgemachten Terror, die Gewalt und Unsicherheit zu gewöhnen oder mich einfach damit abzufinden…

Diesen Artikel widme ich der Blogparade „Mein nachdenklichstes Erlebnis auf Reisen“ von adventureluap.

Fotos: (c) Ines Laufer, Screenshot@LeParisien

 

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  1. Hallo Ines, Nizza war echt schlimm. Ich habe es miterlebt durch meine Studienkollegin aus Granada die in Nizza mehrere Jahre lebte. Es ist schlimm vor allem weil wir weit weg vom Frieden sind obwohl wir glauben uns in Frieden zu befinden. Lg Doris